Körper, Traumwelt, Nondualität
Wenn wir alle nur ein Bewusstsein (nondual) sind, als was existieren wir dann in dieser Traumwelt? Und wenn ich kein Körper bin, warum bilde ich mir ein, gerade dies am deutlichsten zu spüren? Kann ich lernen, Nondualität wahrzunehmen?
Statt “Traumwelt” würde ich lieber “Erscheinungen im Bewusstsein” sagen: Alles, was du erlebst, erscheint im Bewusstsein.
Wir existieren hier als Bewusstsein, das erfüllt von Sinneseindrücken ist: Wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen. Auch Gedanken sind als “innere Bilder” oder “innere Stimmen” da, die wir sehen bzw. hören; auch Emotionen und Intuitionen fühlen wir.
Für sinnliches Erleben brauchen wir Körper: Ohne Augen sehen wir nichts. Und wenn das Gehirn – ein körperliches Organ – betäubt oder berauscht oder beschädigt ist, dann kann das unser Erleben, unser Denken und Fühlen sehr stark verändern.
Der Körper ist jetzt einfach da, ob als Traum oder als “Realität”, jedenfalls als Erleben. Es wäre nur verwirrend, das zu leugnen.
Weil der Körper da ist, ist Erleben da. Und gleichzeitig ist der Körper, was im Erleben erscheint.
Im Einssein, also dem nondualen Bewusstsein, läuft das Spiel der Vielfalt, das Spiel der Unterschiede, der Veränderung und Bewegung, der Sinne, der Farben, Klänge, Sensationen, das Spiel der Dualität.
Und in diesem Spiel des Bewusstseins haben Organismen eine wichtige Rolle: Sie sind das Spielfeld und die Spielfiguren.
Sie sind auch das Medium, durch das wir gelernt haben, uns getrennt voneinander zu fühlen. Denn offensichtlich weißt du Dinge, die ich nicht weiß, zum Beispiel, was du heute gegessen hast und was du gerade denkst und so weiter. Ein Spiel im Bewusstsein können wir also nennen: “Ich sehe was, das du nicht siehst, und das ist ‘mein’ Erleben.” So gesehen sind Körper also Symbole der Trennung und Begrenztheit – wenn wir den Gedanken glauben.
Körper sind aber auch das Medium, durch das wir uns kennenlernen und Einssein erfahren können. Das kann deutlich werden beim Sex (kann, muss aber nicht), oder wenn wir gemeinsam singen oder musizieren oder tanzen oder uns anschauen oder berühren … oder einfach wenn wir zusammen sind. Da können wir fühlen, dass diese Organismen von derselben Lebendigkeit gelebt und erlebt werden.
So ist das körperliche, sinnliche Erleben pure Lebendigkeit, eine Feier des Lebens, ein Zusammenspiel von Energie, eine unvorstellbar reiche Bewegung im Bewusstsein, ein Fest der Vielfalt und des Zusammenseins im Einssein. Liebe.
Wenn sich die Aufmerksamkeit dem zuwendet, was da erlebt, dann findet sie dieselbe Offenheit für all das unterschiedliche Erleben.
Das gilt für den “einzelnen” Organismus, der die unterschiedlichsten Berührungen erlebt und unzählige Farben und Klänge und Gerüche und so weiter … alles in demselben Bewusstsein: Da ist diese eine, unteilbare Offenheit für all die verschiedenen Sinneseindrücke. Trotzdem weiß die Hand nicht, was die Nase riecht.
Und ebenso gilt das auch für das ganze Spiel der Erscheinungen: Da ist die eine Offenheit für alles Erleben in allen Organismen. Die Organismen erleben ihre eigenen, speziellen Sinneseindrücke (“Ich sehe was, das du nicht siehst”), und doch ist da diese eine unendliche Offenheit in ihnen allen.
Du findest dieses Prinzip in jeder Größenordnung: Atome, die als Moleküle zusammenspielen, die als Zellen zusammenspielen, die als Organe zusammenspielen, die als Organismen zusammenspielen, die als Familien oder Firmen zusammenspielen, eingebettet in der lebendigen Welt, die sie trägt und ernährt …
Eine Zelle in der Niere weiß nicht, was in der Lunge vor sich geht, aber sie ist dasselbe Leben, Ausdruck derselben Lebendigkeit. Ganz und Aspekt des Ganzen. Wir sind unendlich vielfältig eins.
Wie kann diese Nondualität, diese eine offene Lebendigkeit wahrgenommen werden? Indem wir aufhören, uns von Gedanken die Welt vorschreiben zu lassen. Wenn wir aufhören, die dualen Beschreibungen der Gedanken für “die Wahrheit” und “die Autorität” zu halten. Wenn wir stattdessen offen und unvoreingenommen schauen und fühlen, was wir sind, was Erleben ist, was Lebendigkeit ist, dann zeigt sich das Einssein von selbst. Einfach weil die Aufmerksamkeit nicht mehr von Beschreibungen und Bedingungen, wie das Erleben sein sollte, abgelenkt und verzerrt wird. Wenn das Erleben keine Bedingung erfüllen muss, wenn es nicht für etwas herhalten muss, dann zeigt es sich in seiner Absolutheit: frei und unendlich reich.
Sobald die Aufmerksamkeit nicht mehr durch Bedingungen gefiltert wird, sobald nichts “anderes” wichtig scheint, ist Offenheit fühlbar und präsent.
In dieser bedingungslosen Erlaubnis zu erleben, was da ist, in dieser liebevollen Offenheit erkennt das Bewusstsein sich selbst als liebevolle Offenheit.
Der Traum der Bedingungen und damit der Unvollständigkeit und Getrenntheit kann aufhören und das Spiel der Erscheinungen geht weiter. Nur wird es nicht mehr als Hindernis erlebt, sondern als Wunder.