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Das Unterbewusstsein

Lieber Dittmar,

danke für die auf­schluss­rei­chen Ein­blicke! Ich schätze dich sehr als jeman­den, der Non­dua­li­tät ver­kör­pert, ohne sich auf einen Guru-Sockel zu stel­len. Momen­tan scheint es für mich aber trotz­dem nicht anzu­st­ehen, an dein­em öffent­lichen Chat teil­zu­neh­men.

Zwei Fra­gen habe ich trotz­dem:
Obwohl die ge­trenn­te Ich-Ins­tanz eine Illu­sion ist, wird gemein­hin von einem ener­ge­ti­schen Tod ge­spro­chen, der not­wen­dig ist, be­vor jemand das All-Eins-Sein komp­lett ver­kör­pern kann. Wie siehst Du das? Und was ist mit dem Unter­be­wusst­sein? Gren­zen­los­es Bewusst­sein schließt doch das Unter­be­wusst­sein mit ein – ist es inso­fern nicht wich­tig, das per­sön­li­che und das kol­lek­tive Un­be­wusste zu inte­grieren, damit Ganz­heit rea­li­siert wird?

Danke und herzliche Grüße

Danke für deine Mail!

Wie immer halte ich es für sinn­voll, mög­lichst wenige Kon­zepte zu ver­wen­den und statt­des­sen zu schauen, was wirk­lich er­lebt wird. Und wenn ein Be­griff wie “Unter­bewusst­sein” ver­wen­det wird, ihn zu de­fi­nie­ren, um zu schauen, ob wir das­selbe meinen.

Die ein­fachste De­fi­ni­tion fin­de ich “Das, was gerade nicht bewusst ist” und würde  das syno­nym ver­wen­den mit “Das, wo die Auf­merk­sam­keit gerade nicht ist”.
Der Begriff “Unter­be­wussts­ein” klingt so, als wäre das ein Wesen statt ein­fach nur “Das, was (jetzt gerade) nicht bewusst ist”.
Mit ande­ren Wor­ten finde ich den Begriff “Unter­be­wusst­sein” unnötig, und “Das Un­bew­usste” auch, so wie es kei­nen Be­griff braucht für “Das, was gerade nicht wahr­ge­no­mmen wird”.

Viel­leicht ist deine De­fi­ni­tion von “Un(ter)­be­wusst­sein” auch ganz anders, was ver­stehst du denn darunter?

Meine Beschrei­bung: Da sind Mus­ter, Gewohn­heiten, Auto­ma­tis­men der Auf­merk­sam­keit und der Reak­tio­nen auf das Wahr­ge­nom­mene. Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, Über­ze­ugung­en, die voraus­ge­setzt und nicht hin­ter­fragt wer­den.
Man­che Mus­ter kön­nen bewusst wer­den (z.B. Atem-Muster, Denk- und Sprech­wei­sen), man­che nicht (z.B. Auf­schlüs­seln der Nah­rung nach Nähr­stof­fen und Abfall).

Zum “ener­ge­ti­schen Tod”: Er ist das Ende der Illu­sion, dass es “meine” Ener­gie inmit­ten von “ande­ren” Ener­gien gibt. Das Er­le­ben des einen Ener­gie­meers, von dem nichts aus­ge­nom­men ist, und der Stille darin, von der nichts aus­genom­men ist.

Die Ener­gie fließt auch in Mus­tern, die Wir­bel bil­den oder stag­nie­ren kön­nen (siehe oben). Die­se Mus­ter sind nicht ge­trennt vom Gesamt­gesche­hen, von der momen­ta­nen Energie-Konstel­la­tion, nur gehen dys­funk­tio­nale Mus­ter von anderen Gege­ben­hei­ten aus: von der Situ­a­tion zu der Zeit, als sie ent­stan­den sind; von der Not­wen­dig­keit, etwas zu ver­tei­di­gen oder zu be­kämp­fen oder zu igno­rie­ren und sonstigen Irrtümern.

Dafür kann es ein Up­date geben: In der Er­kennt­nis, dass die Mus­ter etwas ganz Un­per­sön­li­ches sind, im Er­ken­nen der einen Lee­re in allen Erschei­nun­gen, in allen Mus­tern, kann die Ener­gie spon­tan in neuen Bah­nen flie­ßen, die sich stimmig, friedl­ich und lie­bev­oll anfühlen.

Herzliche Grüße
Dittmar

Hallo Dittmar,

herz­­li­chen Dank für die auf­schluss­rei­chen Im­pul­se. Wenn Du für Deine in­ves­tier­te Zeit einen fi­nan­ziel­len Aus­gleich möch­test, lass mich bitte Dein­e Kon­to­nu­mmer wissen.

Zum Thema “ener­ge­ti­scher Tod und über­per­sön­liche Energie-Muster” kann ich gut nach­voll­zie­hen, was Du meinst.

Mit dem Unter­be­wusst­sein meine ich das, was Eckhart Tolle den Schmerz­kör­per nennt. Das, was mich ent­we­der zur Täterin oder zum Opfer macht, was sich manch­mal wie ein Dämon an­fühlt und manch­mal wie ein quen­ge­li­ges Klein­kind. Ent­spre­chende Pro­jek­ti­onen ge­hören für mich eben­falls zum Be­griff Unter­be­wusst­sein. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit neu­eren Erkennt­nis­sen aus der Trauma­for­schung hin­sicht­lich mei­ner eige­nen trau­ma­tis­chen Ener­gien ist mei­ne per­sön­li­che psy­cho­lo­gi­sche Ebene die­ses Phä­no­mens Schmerz­körper.

Konkreter aus­ge­drückt erlebe ich z.B. in Be­geg­nun­gen oft­mals eine feind­se­li­ge Hal­tung in mir, ob­wohl ich ei­gent­lich freund­lich sein möch­te, und habe dann kei­nen Ein­fluss auf mein Ver­hal­ten. Oder wenn ich Angst habe im Um­gang mit Men­­schen, be­kom­me ich ein ganz stren­ges Ge­sicht – ein Phä­no­men, wel­ches ich als sog. “Täter­intro­jekt” inzwi­schen durch­aus ein­zu­ordn­en weiß.

Wenn ich mir aller­dings das be­din­gungs­lo­se Eins­sein aller Men­schen mit dem ein­zig Einen be­wusst mache und mich in die­sem Be­wusst­sein mit­tels ent­spre­chen­der Affir­ma­tio­nen ver­an­ke­re, er­le­be ich durch­aus Lie­be im Sin­ne von Eins­sein, sowie Frie­den und Angst­frei­heit im Um­gang mit Menschen. Das ist aber noch nichts Selbst­ver­ständ­li­ches in mir, die al­ten sozial­pho­bi­schen Mus­ter über­la­gern oft­mals noch das, was ich als “meine” sog. wah­re Na­tur durch­aus be­reits er­fah­ren habe.

Verstehe ich Dich rich­tig, dass es für die voll­stän­di­ge Rea­li­sie­rung die­ses All-Eins-Seins nichts zu tun und nichts zu las­sen gibt? Momen­tan ten­diere ich aller­dings da­zu, mich mit den oben erwähn­ten Affir­ma­tio­nen wei­ter darin zu üben, DAS zu rea­li­sie­ren, was ich bereits BIN.

Danke für alles und herzliche Grüße

Ich danke dir eben­falls für die interessan­ten Fra­gen … und für das Aus­gleichs-Angebot! Ich freue mich, dir zu ant­wor­ten, es braucht kei­nen wei­te­ren Aus­gleich.

Danke auch für deine (und Eckhart Tolles) Defi­ni­tion von “Unter­be­wusst­sein” bzw. “Schmerz­kör­per”! Die Vor­stel­lung, die durch diese Be­grif­fe sug­ge­riert wird, ist: Da gibt es etwas Nega­ti­ves, das am bes­ten ge­löscht wer­den soll­te. Ohne Schmerz­kör­per, ohne Dä­mon, ohne quen­geliges Kind wären wir besser dran.

In solchen Kon­zep­ten (oder auch “Teil­per­sön­lich­kei­ten”, “Schat­ten” usw.) wird als Wesen be­schrie­ben, was nur ein Mecha­nis­mus ist. Eine ge­lern­te Rea­kt­ion, die in der Si­tu­a­tion, in der sie ge­lernt wur­de, als bes­te oder ein­zi­ge Mög­lich­keit er­schien, und im Licht aktu­el­ler Er­fah­run­gen nicht mehr passt, weil an­d­ere Mög­lich­kei­­ten er­kannt wur­den. Die­sel­ben ge­lern­ten Tanz­schritte, ob­wohl längst ganz andere Musik spielt.

So gesehen ist ein “Täter­intro­jekt” Modell-Lernen, das Ler­nen von Vor­bil­dern. Zum Bei­spiel: Be­stra­fung als Mit­tel, un­er­wünsch­tes Ver­hal­ten ab­zu­stel­len. Et­was, an das “eigent­lich” gar nicht ge­glaubt wird, das aber wei­ter läuft, so­lan­ge es nicht über­prüft und / oder aktu­alisiert wird.

Ich habe noch einen Begriff, den ich statt “Unbewuss­tes / Unter­be­wusst­sein” ver­wenden würde: Impli­zites Wis­sen. Das Wis­sen, das voraus­ge­setzt wird, ohne dass darü­ber re­flek­tiert wer­den muss. Zum Bei­spiel das Wis­sen, wo du gerade bist. Ein an­de­res Bei­spiel: Mir ist nicht be­wusst, wel­che Tas­ten auf der Tas­ta­tur links und rechts vom “P” lie­gen; trotz­dem gibt es das imp­li­zi­te Wis­sen darü­ber, so dass ich diese Tas­ten “blind” benut­zen kann, wenn ich sie brauche.


Und dieses “im­pli­z­ite Wis­sen” kann ve­ral­ten durch neue Ge­ge­ben­hei­ten, zum Bei­spiel wenn ich ei­ne eng­li­sche Tas­ta­tur be­nutze: Dann ist rechts ne­ben dem “P” ein an­de­res Zei­chen (das ich jetzt auch nicht weiß, aber bei Be­darf ver­wenden könnte).

Wenn das Ver­hal­tens- oder Auf­mer­ksam­keits­muster, das ab­ge­ru­fen wird, dys­funk­tio­nal ist (schmer­zhaft, gewalt­tä­tig o.ä.), dann ist ein Up­date sinn­voll, eine Inte­gra­tion des Auto­ma­tis­mus ins aktu­elle Erleben.

Das kann, wie du schreibst, durch eine Af­fir­ma­tion ge­sche­hen, eine Be­kräf­ti­gung des­sen, was du in­zwi­schen weißt /er­kannt hast. Diese Af­fir­ma­tion oder Er­in­ne­rung kann zu einer neuen Aus­rich­tung der Auf­merk­sam­keit füh­ren und da­mit zu einem ak­tua­li­sier­ten Den­ken, Er­le­ben, Füh­len, Ver­hal­ten. (Affir­ma­tio­nen kön­nen aller­dings auch ein Ver­such sein, das mome­ntane Er­leben zu leug­nen und sich davon abzuwenden.)

Die Aktua­li­sie­rung (das Up­date) kann da­rin be­ste­hen, zu über­prü­fen, was im al­ten Pro­gramm voraus­ge­setzt war, zum Bei­spiel: Bin ich in einer feind­li­chen Um­ge­bung? Gibt es et­was zu ver­tei­di­gen oder auf­recht zu er­hal­ten? Wel­che Be­din­gun­gen werden vom Mus­ter ge­stellt? Bei die­ser Über­prü­fung kann NLP helfen, oder auch “The Work” nach Byron Katie.

Das Update kann auch sein, mit neuen Au­gen zu schauen und sich dem ak­tu­el­len Er­le­ben mit For­scher­geist zu­zu­we­nden: Was er­leb­e ich jetzt? Wel­cher Ge­dan­ke ist ge­ra­de im Spiel? Ist er ein Bild, eine Stim­me, beides? Wie rea­giert der Kör­per darauf? Was ist da sonst noch? … Ohne Ver­bot, das zu er­leben, und ohne den Ver­such, die­je­ni­gen zu be­stra­fen, die die­se Ge­füh­le schein­bar aus­ge­löst ha­ben. Die­se offe­ne, freund­li­che Auf­merk­sam­keit für das ak­tu­elle Er­le­ben ist schon das Update, die Ak­tu­ali­sierung – und erfüllt den Wunsch nach lie­be­voller Zuwendung.

“Ver­ste­he ich Dich rich­tig, dass es für die voll­stän­di­ge Rea­li­sie­rung die­ses All-Eins-Seins nichts zu tun und nichts zu lassen gibt?”

Das All-Eins-Sein umfasst al­les (wie der Be­griff schon sagt) und schließt nichts vom Er­le­ben aus. Auch z.B. das Gefühl, ge­trennt oder über­for­dert zu sein, darf im Er­le­ben auf­tau­chen. Ler­nen ge­schieht, wenn die­ses Gefühl nicht isol­iert erlebt wird, son­dern im Zusammen­hang mit den Bedin­gun­gen, die ans Erle­ben gestellt wer­den (wie es sich anfüh­len soll, wie andere mir begeg­nen sol­len …), als wären die Bedin­gun­gen wich­ti­ger und das Eins­sein gerade nicht “Thema”.

Der Organis­mus ist an­ge­zogen vom Er­le­ben des Eins­seins, von Liebe. Er kann sich daran orien­ti­eren; Auf­merk­sam­keit und Ver­hal­ten kön­nen sich auf die Ge­gen­wart der Lie­be aus­rich­ten, statt nur mecha­nisch und re­fle­xhaft zu re­agie­ren. Er erlebt die Wei­te, die darin liegt, und lernt. Oder er lernt: “So fühlt es sich an, die­sen Gedan­ken und Bedin­gun­gen zu glau­ben” – und lernt aus dem Kon­trast zwi­schen Enge und Weite.

Das ist übri­gens ein Punkt, mit dem viele nicht ein­ver­stan­den sind: In Advaita-Kreisen hat “Ler­nen” einen schlech­ten Ruf; das Wort klingt nach Ar­beit und kann die Vor­stel­lung mit sich brin­gen, noch nicht “am Ziel” zu sein, noch etwas er­rei­chen zu müs­sen. Und es er­weckt viel­leicht die Vor­stel­lung einer Zu­kunft, für die ge­lernt wird.

Ich spreche aber vom Ler­nen für “Jetzt”. Das Leben ist ler­nen­de Intel­li­genz, ganz ohne Zu­tun. Er­leben ist Ler­nen, so wie ein Musi­ker lernt, wenn er ein­fach nur spielt … und dabei zuhört.

Dieses Ler­nen ge­schieht von selbst: ein Ler­nen aus Liebe zur Musik, zum momen­tanen Er­le­ben. Lernen aus Liebe.

Hallo Dittmar,

vielen, vielen Dank für die er­hel­len­den Er­läu­te­run­gen. Die Gros­chen fallen – manchmal nur cent­weise, manch­mal auch schlag­ar­tig.

 

Was das von Dir be­schrie­be­ne Up­date an­geht, fühle ich mich weni­ger zu Byron Katie und all­ge­mei­nem NLP hin­ge­z­ogen als zu Dei­nen Alter­na­tiv­vor­schlä­gen und zu der sog. Core-Transfor­ma­tion, die ich vor eini­ger Zeit schon mal an­ge­spro­chen hatte.

 

Ich wer­de dei­ne Mail wie­der­holt im Hin­ter­kopf be­we­gen und dran­blei­ben an der Er­for­schung der Ich-Illusion …

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